Bundespräsident Univ.-Prof. Dr. Alexander Van der Bellen hat in seiner heurigen Rede zum Nationalfeiertag aus meiner Sicht bemerkenswerte Aussagen getätigt, unter anderem folgende: „Es gibt Migrationsprobleme – also lösen wir sie: Jeder, der bei uns leben will, muss als Voraussetzung Deutsch lernen.“ (1)
Wenn wir als ÖPU/FCG seit vielen Jahren ähnlich lautende Aussagen tätigten, wurden wir von manch Mitbewerber:innen für rückschrittlich gehalten oder zumindest so bezeichnet. Wir aber hielten und halten es als Vertreter:innen des Schulwesens und seiner Lehrer:innen für unsere Aufgabe, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, die in der Schule deutlich werden und die Grenzen dessen, was Schule leisten kann, überschreiten.
Es hat sehr lang gebraucht, bis es auf politischer Ebene zu einem Umdenken kam. Das Ergebnis: Ein Viertel der 15-Jährigen Österreichs spricht Deutsch nicht als Umgangssprache. (2) Ein Drittel der 3- bis 5-Jährigen in Österreichs Elementarbildungseinrichtungen wächst in einer Familie auf, in der Deutsch nicht die Umgangssprache ist. (3) Dass eine andere Umgangssprache bei sehr vielen Schüler:innen mit mangelhaften Deutschkenntnisse einhergeht und sich deshalb negativ auf den Schulerfolg auswirkt, wurde jahrelang geleugnet, obwohl die Fakten eine andere Sprache sprechen:
- Fast 9 % der Schüler:innen, die Deutsch nicht als Umgangssprache sprechen, schließen nicht einmal die Sekundarstufe I erfolgreich ab. (4)
- 16 % der 18- bis 24-Jährigen Österreichs, die im Ausland geboren sind, brechen ihre Schullaufbahn ohne einen erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe II ab. (5)
- Bei den 20- bis 24-Jährigen ist die Arbeitslosenquote derer, die nach Österreich zugezogen sind, fast drei Mal so hoch wie bei denen, die in Österreich geboren wurden. (6)
Es war für die Politik viele Jahre lang bequem, uns Lehrer:innen oder das Schulwesen für Probleme verantwortlich zu machen, die Folge politischer Säumigkeit sind. Ich fordere alle Parteien dazu auf, sich endlich der großen Probleme unseres Landes anzunehmen. Dass die Versäumnisse im Bereich von Migration und Integration samt deren Folgen zu diesen großen Problemen gehören, steht außer Zweifel. Unsere Mitbewerber:innen fordere ich dazu auf, sich den realen Problemen des Schulalltags zu widmen, statt sich in Forderungen wie der nach Abschaffung der gymnasialen Unterstufe – nichts anderes wäre die Einführung einer „Gesamtschule“ – zu ergehen.
Es geht um die Jugend und damit um die Zukunft unseres Landes.
(1) Nationalfeiertag 2024 – Bundespräsident: »Wir müssen Neues wagen«
(2) Quelle: OECD (Hrsg.), PISA 2022 Database, Tables I.B1.7.9 und I.B1.7.10.
(3) Quelle: Statistik Austria online, Abfrage vom 28. Oktober 2024.
(4) Quelle: Statistik Austria (Hrsg.), Bildung in Zahlen 2022/23. Tabellenband (2024), Tab. 1.5.1.2.
(5) Quelle: Eurostat-Datenbank, Abfrage vom 28. Oktober 2024.
(6) Quelle: Eurostat, Abfrage vom 28. Oktober 2024.
Bild lizenziert von BIGSTOCKPHOTO.