Der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat die Wahlkampfzeit einmal als „Zeit fokussierter Unintelligenz“ bezeichnet. Die Forderungen seiner Genoss:innen nach Abschaffung der Matura, Einführung der Gesamtschule und Abschaffung der Noten sind ein deutlicher Hinweis, dass diese Zeit nun wieder angebrochen ist.
Für jene, die selbst oder in ihrem Umfeld negative Erfahrungen mit der Matura gemacht haben, mag die Forderung nach deren Abschaffung auf den ersten Blick verlockend klingen. Die Konsequenzen, die sich daraus für Studierwillige ergeben, wurden aber wohl nicht bedacht. Sozialer würde das System jedenfalls nicht werden, wenn ich zum Beispiel an die kostspieligen Vorbereitungskurse für die dann zwingenden Aufnahmsprüfungen an Universitäten denke, die sich sicher nicht alle leisten könnten. Andere Länder, deren Schulsystem auf einen zum Studium berechtigenden Abschluss verzichtet, zeigen es uns vor.
Dass der alte Hut der Gesamtschule wieder einmal hervorgekramt wird, wundert mich zwar nicht mehr wirklich. Die erträumte Chancengleichheit kann sie in Wahrheit aber nicht herbeiführen. Menschen sind nun einmal unterschiedlich und haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Ein vielfältiges Schulwesen, wie Österreich es hat, wird diesen weit besser gerecht.
Besonders skurril ist für mich die Forderung nach Abschaffung der Noten, die laut Bildungswissenschafter Stefan Hopmann ein „Kommunikationsformat“ (1) darstellen. Dass man ohne solche Formate in einer Zeit, in der Leistung in allen Bereichen eine immer größere Rolle spielt, nicht auskommt, verstehen hoffentlich auch die größten Sozialromantiker:innen. Wenn man aber Ziffernnoten durch etwas anderes ersetzen will, stellt sich die Frage nach der Relation zwischen Aufwand und Nutzen. Letzterer ist bei Kompetenzkatalogen, verbaler Beurteilung etc. sicher nicht höher, der Arbeitsaufwand für die Lehrer:innen jedoch sehr wohl. Und am Ende wird immer die Frage gestellt werden: „Welche Note ist das jetzt?“
Wenn ich als Vertreter der Lehrerschaft die Umsetzung unsinniger Ideen verhindern kann, lasse ich mich gerne Blockierer nennen.
(1) Was für Schulnoten und Matura spricht – und was dagegen. In derstandard.at vom 20. November 2023.
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