Alte Hüte (verfasst von Herbert Weiß)

Vor einigen Wochen hat die Industriellenvereinigung wieder einmal Ergebnisse ihrer Beschäftigung mit dem Thema Schule veröffentlicht. (1) Ob die Tatsache, dass ihre Erkenntnisse in den Medien untergegangen sind, mit der Qualität der Papiere zu tun hat, wage ich nicht zu beurteilen. Aus Sicht eines Lehrers kann ich aber mit ruhigem Gewissen behaupten, dass es sich dabei fast durchgehend um alte Hüte handelt. Darunter findet sich unter anderem wieder einmal die Forderung nach Einführung der Gesamtschule, die diesmal den Titel „gemeinsame Schule von der 1. bis zur 8. Schulstufe“ trägt. Böse Zungen behaupten, dass der Wunsch nach dieser „innovativen“ Schulform von jenen komme, die sich für ihre eigenen Kinder Alternativen leisten können. Beispiele aus dem Kreis von Politiker:innen verschiedenster Parteien und dem anderer betuchter Österreicher:innen gibt es dafür jedenfalls genug. Es gibt eben Menschen, für die ein monatliches Schulgeld von 1000 € und weit mehr ein Klacks ist.

Wer tatsächlich nach dem bestmöglichen Schulsystem für alle jungen Menschen sucht, versucht aus Erfahrungen der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Bei der Lektüre von OECD-Publikationen gewinnt man immer öfter diesen Eindruck. Die OECD, die noch vor zwanzig Jahren beherzt für den Umbau in Richtung Einheitsschulen argumentiert hat, hat ganz offensichtlich aus den Erfahrungen der Staaten gelernt, die diesen Weg gegangen sind. Die OECD hat gelernt, dass Gerechtigkeit nicht mit Gleichheit verwechselt werden darf, und versucht nun, diese so wichtige Erkenntnis weltweit bewusst zu machen:

Bildungsgerechtigkeit bedeutet nicht, dass alle Schüler*innen die gleichen Ergebnisse erzielen sollen. […] Ziel einer gerechtigkeitsorientierten Bildungspolitik ist es nicht, den schulischen Erfolg besonders leistungsstarker Schüler*innen zu beschneiden oder das Niveau allgemein zu senken, um möglichst homogene Bildungsergebnisse zu erreichen. Eine gerechte Bildungspolitik soll vielmehr allen Schüler*innen helfen, das Beste aus sich herauszuholen.“ (2)

Beschleicht nur mich die Befürchtung, dass es in unserer Gesellschaft Gruppen gibt, die ihren eigenen Kindern gegenüber allen anderen Vorteile verschaffen wollen und das in perfider Weise als gutes Werk hinstellen?

(1) Siehe Beste Bildung – Das Bildungsprogramm der Industriellenvereinigung.

(2) OECD (Hrsg.), PISA 2022 Ergebnisse, Band I. Lernstände und Bildungsgerechtigkeit (2023), S. 121.

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