Verlust von vernünftiger Freiheit (verfasst von Herbert Weiß)

Unsere Initiative zur Abschaffung der verpflichtenden VWA, ausgehend von kritischen Überlegungen zu ChatGPT, hat uns aus dem Kreis der Kolleg:innen zahlreiche positive Rückmeldungen gebracht. Zu fordern, dass neue Techniken sinnvoll und mit Bedacht eingesetzt werden sollen, hat nichts mit Furcht vor Neuem zu tun. Weder wollen wir KI aus der Schule verbannen, noch die VWA generell abschaffen. Sie soll als Option für die erhalten bleiben, die ihre speziellen Interessen mit ihr dokumentieren und damit für sich und ihren weiteren Bildungsweg profitieren wollen.

Der bekannte Erziehungswissenschafter Klaus Zierer trifft den Kern der Sache, wenn er schreibt: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass über die Wirksamkeit von Chatbots die Unterrichtsqualität entscheidet. In der Auseinandersetzung mit der Technik gerät dieser Schluss gern aus dem Blick: Lernen braucht eine Atmosphäre des Vertrauens und Zutrauens. Ohne positive Beziehungen zwischen den Schülern und dem Lehrer, aber auch zwischen den Schülern untereinander bleiben viele Bemühungen wirkungslos. […] Unsinnig wird der Einsatz vor allem dann, wenn Chatbots das eigene Denken ersetzen. Zwar haben Schüler mehr Freizeit, wenn ChatGPT & Co. die Hausaufgaben machen. Aber verstanden haben sie nichts.“ (1) Was für Hausaufgaben gilt, gilt natürlich umso mehr für die VWA. Wenn man damit die ursprünglich versprochene Vorbereitung auf die Universität erreichen will, braucht man eine intensive Betreuung, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen einfach nicht geleistet werden kann.

Dem Resümee von Klaus Zierer habe ich nichts mehr hinzuzufügen. „So zeigt sich also der erzieherische Auftrag, den Menschen gerade in Zeiten von ChatGPT & Co. zum Gebrauch des eigenen Verstandes zu ermutigen. Verstehen ist anstrengend und ohne Einsatz nicht zu haben. Verantwortung kann nicht delegiert werden, und Entscheidungen dürfen nicht von Maschinen, sondern können nur von Menschen getroffen werden, weil nur der Mensch die Sinnfrage stellen und Rechenschaft geben kann. Wenn diese Einsichten in Bildung verloren gehen, dann drohen Verdummung und der Verlust der vernünftigen Freiheit, wie es Jürgen Habermas nennt.“ (2)

(1) Selbst verschuldet unmündig durch Chatbots? In faz.net vom 29. Februar 2024.

(2) Ebenda.

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