Die Schlüsselfrage für die Zukunft unseres Landes (verfasst von Herbert Weiß)

Manch Wahlergebnis stimmt mich sehr nachdenklich, und zwar nicht erst seit dem vergangenen Wochenende. Immerhin kommen dadurch in mehreren Fällen Parteien in Regierungsverantwortung, die von ihrer Grundausrichtung alles andere als demokratisch sind und sich auch nicht von Kriegstreibern wie Putin distanzieren wollen. Haben wir vergessen, dass Parteien an den Rändern des politischen Spektrums den Menschen noch nie die erhofften Vorteile, sondern unendlich viel Leid gebracht haben? Dazu gibt es in der Geschichte mehr als genug Beispiele, egal ob sie Hitler, Stalin oder Mao heißen. Die Europawahl hat in vielen Ländern eine Stärkung von Parteien gebracht, in deren Hände ich Europas Wohl nicht legen wollte.

Neben der allgemeinen Politikverdrossenheit hat nicht nur in Österreich das Migrationsproblem das Wahlverhalten der Bürger:innen bestimmt. Dass uns die Migration, insbesondere in Ballungsräumen, vor wachsende Probleme stellt, ist für uns Lehrer:innen nicht zu übersehen. Auch wenn es politisch Verantwortliche nicht gerne hören: Seit 15 Jahren gab es in Österreich keinen so großen Anteil 20- bis 24-Jähriger, die über keinen erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe II verfügen. (1) Er beträgt aktuell 14,9 % und liegt damit nur mehr einen Prozentpunkt unter dem EU-Durchschnitt von 15,9 %. Vergangen sind die Jahre, in denen der diesbezügliche Anteil im EU-Durchschnitt um die Hälfte größer war als der Österreichs und sich Österreichs Schulwesen trotzdem von ignoranten „Bildungsexpert:innen“ besudeln lassen musste. Statt demographische Entwicklungen und entsprechenden Handlungsbedarf zu erkennen hat die Politik uns Lehrer:innen angeprangert, weil unsere Schüler:innen bei internationalen Studien nur durchschnittlich abschnitten.

Einer Politik, die vielleicht noch immer nicht genau hinschauen will, weil’s unangenehm ist, möchte ich nachhelfen: Von den in Österreich (mit oder ohne Migrationshintergrund) geborenen 20- bis 24-Jährigen verfügen 10,9 % über keinen erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe II. Damit gehört Österreich noch immer zu den erfolgreichsten Staaten der EU. Bei denen, die aus einem anderen EU-Staat nach Österreich gezogen sind, sind es aber mehr als doppelt (23,3 %), bei den 20- bis 24-Jährigen Österreichs, die außerhalb der EU geboren wurden, sogar mehr als drei Mal so viele (35,6 %). (2)

Ich fordere alle Politiker:innen auf, endlich über alle Parteigrenzen hinweg Maßnahmen zu setzen, die in einem Einwanderungsland wie Österreich unumgänglich sind. Die Bewältigung des Migrationsproblems ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft unseres Landes. Billiger Populismus bringt vielleicht kurzfristig Wählerstimmen, löst aber keine Probleme – ebenso wenig wie Wegschauen. Ist die Idee eines Allparteienpakts vor den Wahlen zum Wohl unserer Jugend und unseres Staates in einem Wahljahr wirklich weltfremd?

Bild lizenziert von BIGSTOCKPHOTO.

(1) Dazu zählen nicht nur die Oberstufen der Allgemeinbildenden und Berufsbildenden Höheren Schulen, sondern auch Polytechnische Schulen, die Berufsschulen und die Lehre, Berufsbildende Mittlere Schulen und Fachschulen.

(2) Quelle: Eurostat-Datenbank, Abfrage vom 9. Juni 2024.

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