Lehrerpersönlichkeit 2.0

Lehrerpersönlichkeit 2.0

Die Bibliothek in der Bildungsdirektion Niederösterreich ist übersiedelt und bei der Gelegenheit wurden alte Bücher aussortiert, die zur Mitnahme für die Allgemeinheit aufgelegt wurden. Beim Durchstöbern fiel mir sofort ein abgegriffenes Büchlein mit dem Titel „Die Lehrerpersönlichkeit“ (1) aus dem Jahr 1954 ins Auge, und ich nahm es mit. Schon im Zug nach Hause blätterte ich darin und war gespannt, was 70 Jahre später noch oder wieder aktuell sein könnte.

Gleich eine Aussage der Autorin im Vorwort ließ mich an den Bildungsforscher John Hattie mit seiner Meta-Studie aus dem Jahr 2009 denken, der die Lehrer:innenpersönlichkeit ins Zentrum stellt: „Außerdem wurde mir die Erkenntnis immer klarer, dass sich jede Reform der Schule in den Klassenzimmern entscheidet und letzten Endes von der lebendigen Persönlichkeit des Lehrers getragen wird.“ (2)

Die Autorin hat für ihre Forschungszwecke im Jahr 1952 in Bayern rund 3000 Schüler:innen aller Altersstufen Aufsätze mit den Titeln „Wie stelle ich mir meinen Lehrer vor?“ (Burschen) und „Wie stelle ich mir meine Lehrerin vor?“ (Mädchen) schreiben lassen und ausgewertet. So werden dann als notwendige Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen „Frohsinn, Geduld und Ausgeglichenheit und Fähigkeit zur Disziplin“ (3) genannt – Eigenschaften, die wohl auch noch 70 Jahre später die Grundlage für eine Lehrer:innenpersönlichkeit bilden. Für das Lernen ist und bleibt darüber hinaus auch ein Vertrauensverhältnis, gepaart mit gegenseitigem Verständnis, die conditio sine qua non.

Liest man weiter im dem Büchlein, glaubt man (abgesehen von der etwas antiquierten Sprache), einen modernen Ratgeber für Lehrer:innen vor sich zu haben: Lehrer:innen sollen gerecht sein, gut erklären können und eine hohe Fachkompetenz aufweisen. So sahen das die befragten Schüler:innen in den 50er Jahren, was wohl bis heute aktuell ist. Damals legten auch die Schüler:innen viel Wert auf das äußere Erscheinungsbild (Größe, Gestalt und Kleidung). (4)

Vieles bietet dieses Büchlein noch, überraschend viel von höchster Aktualität, aber auch gewisse Skurrilitäten, die der damaligen Zeit geschuldet sind: „Ich kann nur zu einer Lehrerin Vertrauen haben, wenn sie nicht gepudert und nicht geschminkt ist.“ (5) Und möge uns die Forderung „Sie soll mit Liebe ihren Beruf ausführen!“ (6) gut in die wohlverdienten Ferien begleiten.

Bild lizenziert von BIGSTOCKPHOTO.

(1) Aibauer Rosa (1954): Die Lehrerpersönlichkeit in der Vorstellung des Schülers. Regensburg Habel-Verlag.

(2) a.O, S. 7

(3) a.O, S. 24

(4) a.O, S. 53ff.

(5) a.O. S. 55

(6) a.O. S.111

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